Tag 24
Nun ist er also da, der 24. Dezember. Wir sind angekommen. Ankommen - ist das mehr, als kommen? Irgendwie schon, denn es impliziert mit dem Präfix "an", dass man sich auf ein Ziel zubewegt. Und nu? Ist jetzt alles zu Ende?
Ich bin über einen Zeitraum von 10 Jahren in 8 verschiedenen Etappen (von 5 - 10 Tagestouren) von Südfrankreich, von Arles auf einer Gesamtstrecke von ca. 1 800 km nach Santiago de Compostela gewandert. Im Juli 2013 bin ich glücklich durch das Pilgertor auf den Vorplatz der Kathedrale geschritten. Ich war durch Berichte anderer Pilger schon ein wenig darauf vorbereitet gewesen: Nach der Euphorie, dem Glücksgefühl, es geschafft zu haben - da kommt erst einmal eine große Leere. Mehrere Tage (viele Pilger gehen den Weg über mehrere Wochen an einem Stück) hatte man den selben Rhythmus, es zählte der Weg und wo man die nächste Nacht unterkommt - und dann ist das plötzlich vorbei.
Manche laufen dann noch weiter, zur nahegelegenen Atlantik-Küste, nach Finisterre, dem "Ende der Welt" - so auch ich. Aber der Pilgerweg ist für mich seitdem nicht "zu Ende". Pilgerwege gibt es überall in Europa und ich kann immer wieder von neuem irgendwo anfangen, nicht weit von meiner Haustür entfernt!
Also zurück zum tieferen Sinn des Advents, des Ankommens zu einem der höchsten Feiertage des Christentums. Ankommen im Advent meint: eine Etappe bewältigen, sich einlassen auf etwas, was zu Ende geht - damit etwas Neues geboren werden kann.
Wir würden uns alle so gerne besonders in diesem Jahr wünschen, dass etwas zu Ende geht, und wir im Januar nach den Weihnachtsferien wieder zur Normalität zurückkehren, mit neuer Motivation, neuer Kraft.
Es geht alles weiter - das, was "anders" ist, nach einem Wendepunkt, das finden wir nur in uns drin. Und das ist auch die besondere Qualität im Advent, die ich versucht habe, in den letzten Beiträgen aufleben zu lassen: Innehalten, mit einem anderen Blick auf das, was zu Ende geht, und einen anderen Blick auf das, was kommt. Es sind unsere eigenen Sinne, die wir mit ein wenig Achtsamkeit, Besinnung und neuem Fokus in der Adventszeit und in den Rau-Nächten zwischen den Jahren ausrichten.
Das "Neue" ist nicht zwingend "besser". Wir können uns sehr gerne gegenseitig wünschen, dass das nächste Jahr "besser" werden soll - und dieses Mal gibt es eine relativ große Chance, dass tatsächlich einiges "besser" wird. Aber was ich mir eigentlich wünsche, sowohl für mich selber, als auch für alle meine Lieben, für die Menschheit auf dem ganzen Planeten: Dass wir unser Herz, unser Mitgefühl öffnen für einen anderen, widerstandsfähigen Umgang mit all' den großen und kleinen Herausforderungen, die die Pandemie uns ganz sicher auch noch in den nächsten 12 Monaten bescheren wird. Ich wünsche uns allen eine gestärkte mentale Immunkraft, damit wir mit Mut und Leichtigkeit unser Leben immer wieder "anders" angehen können - mit Liebe und von Herzen.
Fröhliche Weihnachten