Tag 9
Gestern habe ich mich auf verschiedene Social Posts aus dem Internet bezogen - heute beziehe ich meine Inspiration aus einer Zeitschrift, die ich seit diesem Jahr als Printausgabe abonniert habe. Es ist nicht nur das transformative verlegerische Konzept mit einer glasklaren Ausrichtung auf das Gemeinwohl, die mich anspricht - auch und insbesondere die Inhalte sind für mich eine großartige Inspiration.
Ich habe heute morgen einen Artikel aus der neuesten Ausgabe von "Neue Narrative" gelesen, in dem es um das Phänomen des "grausamen Optimismus" geht. Ein Thema, das mich sehr berührt: als "Happiness" Practitioner (siehe unter "Dienstleistungen" meine "Schwerpunkte + Kompetenzen") ist es mir ein Herzensanliegen, zur Zufriedenheit und zum Gemeinwohl in meinem Wirkungsfeld beizutragen. Ich möchte Zuversicht stärken, für ein vitales Miteinander und schöpferische Kreativität. Ich möchte Mut vermitteln, damit Transformation gelingen kann.
Zuversicht lebt von der Hoffnung, dass es gelingt. Aber es gelingt längst nicht alles - auch wenn wir unser Denken und Handeln von "Problemorientierung" auf "Lösungsorientierung" umswitchen. Optimismus bewahrt uns nicht vor Schmerz und Niederlagen. Und das ist auch der Tenor dieses Artikels: wenn "New Work" als Instrument gebraucht wird, unsere Arbeit erträglicher zu machen und uns selbst permanent zu optimieren, für noch mehr Produktivität und Erfolg, dann verkehrt sich das Prinzip der Positiven Psychologie in Zynische Selbstzerstörung.
Zuversicht nährt sich auch aus Vertrauen - Vertrauen im Unterschied zur Hoffnung beinhaltet immer auch das Wissen, dass etwas nicht gelingen mag (siehe meinen Post zum 7. Adventstag), es beinhaltet unser Bewusstsein um die Verantwortung, die wir dafür tragen, dass es gelingt bzw. die Verantwortung für die Konsequenzen zu übernehmen. Vertrauen und Verantwortung beinhaltet immer auch die Verletzlichkeit, nicht unfehlbar zu sein - Eigenschaften, die im Vokabular eines Effizienz-und Erfolgs-gesteuerten Managers nicht hoch im Kurs stehen.
Aber glücklicher Weise gibt es - zumindest in den Teams, in denen ich in den letzten 20 Jahren gearbeitet habe - nur noch wenige, die so plakativ Frohsinn und gute Laune verbreiten, und damit ihren Erfolg stolz vor sich hertragen.
Aber ich kenne viele Situationen, in denen Führungskräfte oder Manager mit starker Willenskraft, ja auch mit Pioniergeist und Zuversicht voranschreiten, und dabei ungeduldig und auch abwertend auf diejenigen in ihrem Umkreis "herunter" blicken, die Unsicherheit, Angst oder zumindest einen kritischen Blick auf die Realitäten haben. Es gilt, Dinge einfach zu halten, nicht zu verkomplizieren. Optimismus ist ein dankbares Instrument, die Dinge einfach zu halten - und es ist auch legitim und in vielen Fällen effektiv.
Wenn Optimismus jedoch dazu führt, dass die essentiellen Probleme verleugnet werden, Gefühle von Frust, von Schmerz, Gefühle des Verlusts, der Trauer, des Verloren seins ignoriert oder als Schwäche ausgelegt werden, dann wird ein ganzes halbes Leben einfach unterdrückt. Da fehlt Mitgefühl und Empathie!
Es gibt noch einen weiteren sehr wichtigen Artikel im neuen Heft zum Thema Achtsame Kommunikation. Darin gibt es ein Kapitel über Gefühle vs. Pseudo-Gefühle. Beispiele für Gefühle sind "sauer, frei, matt, besorgt, entspannt, traurig, glücklich". Beispiele für Pseudo-Gefühle sind "bestraft, gelobt (steht nicht da, aber es finden sich auf der Seite der Pseudo-Gefühle nur negativ-Beispiele), unwichtig, missachtet, wertlos". Ich persönlich habe für die Art der Gefühle, die als Pseudo-Gefühle hier bezeichnet werden, einen anderen Begriff gelernt: Sekundäre Gefühle. Sekundäre Gefühle sind solche, die ich fühle als Interpretation der Wirkung, die andere auf mich haben, also Gefühle, die aus dem Handeln anderer Menschen von außen auf mich einwirken. Primäre Gefühle hingegen kommen aus mir selbst: Ich bin traurig, ich gin glücklich - in diesen Sätzen zählt erstmal nicht, was von außen bewirkt, dass ich mich so fühle, sondern es kommt nur auf das genuine Gefühl als solches an, das aus mir selbst heraus entsteht.
Für mich als Sprach- und Wortbegeisterte Denkerin hilft bei der Unterscheidung zwischen primären und sekundären Gefühlen auch die grammatikalische Unterscheidung zwischen Subjekt und Objekt. Wenn ich primäre Gefühle äußere, bleibe ich im Subjekt und mein Gefühl ist ein aktiver Zustand, den ich zum Ausdruck bringe - ich bin mit meinen inneren Gefühlen verbunden. Sekundäre Gefühle machen mich zum Objekt des Handelns bzw. der Macht einer anderen Person von außen. Wenn ich nur sekundäre Gefühle wahrnehme, bin ich alleine auf die äußere Welt orientiert, aber die Verbindung zu meinen eigenen inneren Gefühlen und Bedürfnissen ist abgeschnitten.
Und das ist für mich auch der Kern von Resilienz - eine Kraft, mit der mein Selbstvertrauen gestärkt wird: Resilient ist man nicht, wenn man nach außen stark, und optimistisch und effektiv bleibt. Man ist auch nicht resilient, nur weil man nach einer Niederlage wieder aufsteht. Resilienz entsteht nicht aus der Verleugnung schlechter Gefühle. Resilienz nährt sich vor allem aus der Verbundenheit mit all' seinen Gefühlen und der Gewissheit, das man Schmerz, Hilflosigkeit, Frust, Trauer, Einsamkeit, Angst spürt - und feststellt, das man es aushalten kann, ohne andere dafür verantwortlich zu machen, das man diese Gefühle hat.
Die Verbundenheit zu meinen Gefühlen macht mich einzigartig und gibt mir Selbstvertrauen - und sie ist essentiell, um mit den anderen verbunden zu bleiben - nicht als das Objekt ihrer Macht über meine Gefühle, sondern als selbstverantwortliches Subjekt mit der Intention (nicht dem Glauben, nicht der Hoffnung), Probleme mutig (was Angst nicht ausschließt) und im Miteinander zu lösen.
Darum geht es bei Emotionaler Integlligenz: ich brauche faktische Kompetenzen, um als Manager Probleme zu lösen - ich brauche emotionale Intelligenz, um als Führungskraft, Probleme zu überwinden und Transformation schöpferisch und kreativ anzugehen.