Der Glücksindex in Bhutan – Warum Glück zählt – Teil 1
Gross National Happiness,Reiseberichte
März 19, 2021
Was ist denn eigentlich dieser Glücksindex in Bhutan?
Dieser Beitrag erschien ursprünglich als Reisebericht auf den Seiten des gemeinnützigen Vereins Wisdom Together e.V., für den ich im März 2020 eine Reisegruppe in Bhutan begleitet habe. Wir stolperten nach unserer Rückkehr allesamt vom ersten Lockdown in Bhutan in die Schließung aller Einrichtungen in Deutschland. Zum Tag des Glücks am 20. März nun in meinem eigenen Blog:
Teil 1 einer Reiseerinnerung aus einer anderen Zeit – Säule 1 & 2 für das Bruttonationalglück
Bhutan, ein Schwellenland mit sehr einfachen Lebensstandards in der Zangenlage zwischen China und Indien, ist seit etwas mehr als 100 Jahren ein Königreich mit 700 000 Einwohnern. Der 4. König trat 2006 ab – nicht nur, um den Thron seinem Sohn zu überlassen, sondern um einen für die politische Stabilität wichtigen Demokratisierungsprozess in der konstitutionelle Monarchie voranzutreiben. Schon in den 70er Jahren hatte er eine verblüffend neue Vision erschaffen, die sich seit 2008 in der Verfassung manifestiert: Ein auf das Gemeinwohl ausgerichtetes Gesellschaftsmodell, mit dem sich die Regierung ein ganz eigenes Tempo für seine Entwicklung definiert. Das Maß für Wachstum sind nicht die üblichen monetären Kennzahlen globaler Volkswirtschaften, sondern der in der Bevölkerung regelmäßig erhobene Glücksindex. Wir tauchten in den 6 Tagen tief in das Alltagsleben ein, um die vier Säulen dieses „Gross National Happiness-Index“ (abgekürzt GNH-Index), Bruttonationalglück in Deutsch, zu erleben und zu verstehen:
Erste Säule : Sozial nachhaltige und gerechte Gesellschafts- und Wirtschaftsentwicklung
Gleich nach der Ankunft werden wir von zwei gut gelaunten Mitarbeitern unseres Tour Operators begrüßt. Touristen, die auf eigene Faust durch das Land reisen, gibt es nicht. Die verpflichtende Visum-Gebühr pro Tag umfasst eine Rundum-Betreuung: Führung und Eintritt zu allen touristischen Hotspots, Transport, Hotel-Übernachtung, Verpflegung mit 3 Mahlzeiten. Wir erleben, wie sehr sich die Menschen in Bhutan für die Touristen und ihr Land einsetzen: „Hohe Wertigkeit, geringe Auswirkung“ (für Natur und Kultur des Landes) lautet das Motto. Die Hotels sind modern und komfortabel, das Essen ist reichhaltig und schmackhaft (mit nicht ganz so viel Chili, wie die Einheimischen in ihr Essen tun). Tourismus ist ein zentraler Wirtschaftsmotor und die zweitwichtigste volkswirtschaftliche Einnahme-Quelle in Bhutan. Choki, unser Tour Guide, vermittelt uns mit Leidenschaft Kultur und Natur im Land. Kunzang, unser Bus-Fahrer, still und sehr konzentriert, bringt uns immer sicher über die kurvenreichen Gebirgspässe auf dem zweispurigen „Highway“ voran. Wir lernen im Gespräch mit Choki, dass es den Menschen in Bhutan wichtig ist, ihre Zeit sinnvoll für sich und ihre Gemeinschaft einzusetzen – ohne ihre persönlichen Bedürfnisse zu vernachlässigen. Eine wichtige Frage im Volkszensus, mit dem die Regierung alle 5 Jahre den Glücksindex misst, ist die nach der persönlichen Nutzung von Zeit: Wieviel Zeit verwendet man für Arbeit und persönliches Einkommen, für die Familie, für die Gemeinschaft. Ja, auch wieviel Stunden Schlaf hat man. Pünktlichkeit und Effizienz, die Lieblingstugenden in deutschen Unternehmen, sind in Bhutan keine erstrebenswerten Ziele. Es zählt, wofür man sich im Moment einsetzt und womit man einen Mehrwert für alle erzeugt. Für das Wohlergehen der Touristen geben Sie viel persönlichen Einsatz – unsere Reisegruppe fühlt sich glücklich und bereichert.
Zweite Säule: Bewahrung der Kultur und spiritueller Traditionen in einer vitalen Gemeinschaft
Auf dem Weg zur Stadtfestung Punakhas spüren wir eine besondere Stimmung in den Straßen. Wir sehen viele Menschen, die sich zu Fuß oder dicht gedrängt mit der ganzen Familie im Auto oder Kleinbus zur Burg begeben, deren prachtvolle Ansicht in diesem Flusstal zu den beliebtesten Fotomotiven in Bhutan zählt – alle festlich gekleidet in ihren farbenfrohen, oftmals selbst gewebten lokalen Trachten. Tempelfeste wie das Tsechu in Punakha sind gesellschaftliche Ereignisse, wofür die Menschen von den entlegensten Tal- und Berg-Siedlungen zusammenströmen. Mit bunten Kostümen und ausdrucksvollen Masken werden geschichtlich wichtige Eroberungen nachgestellt sowie spirituelle Mythen und Legenden aus buddhistischen Schriften in ausdrucksvollen Tänzen übersetzt. Man trifft sich mit Familien und Freunden, hat sein Picknick und Sitzmatten dabei. Man sieht sich, man tauscht sich aus, die Kinder toben ausgelassen umher oder verfolgen mit Schauer und Staunen die Tänze. Junge Frauen werden von rotgesichtigen Teufeln oder stolzgeschwellten Krieger-Figuren gefoppt. In Bhutan pflegt man einen sehr unkomplizierten Umgang mit dem Gebrauch von Phallus-Symbolen, insbesondere in Punakha, wo man dem sexuell umtriebigsten, populären Yogi des Himalaja aus dem 15. Jahrhundert einen Fruchtbarkeits-Tempel gewidmet hat. Wir brauchen niemanden, der uns den theoretischen Überbau des tibetischen Buddhismus erklärt: Wir spüren, wie die Menschen ihre Spiritualität im Alltag und im Miteinander in ihr Leben integrieren. Dabei ist die Stimmung genauso ausgelassen und für das soziale Leben spürbar wertvoll, wie auf Weinfesten oder auf Musikfestivals bei uns zu Hause – hinzu kommt die unermessliche Farbenpracht und das Dekor einer tief verwurzelten jahrhundertealten Tradition, die immer noch sehr lebendig ist – und nicht nur für die Touristen zelebriert wird.
Eine Reise nach Bhutan will sorgfältig geplant werden. Lust auf ein wenig Reise-Vorfreude für die Zeit nach der Pandemie in ein Land mit einer einzigartigen Kultur, Lebensfreude, tief verwurzelter Spiritualität und einer atemberaubenden Natur? Hier gibt es mehr Informationen, mit dem Betreff „Bhutanreise“!
Morgen gibt’s den zweiten Teil mit zwei weiteren wichtigen Säulen des Glücksindex …