Der Glücksindex in Bhutan – Warum Glück zählt – Teil 2

Gross National Happiness,Reiseberichte,Transformational Leadership

März 21, 2021

  • Der Glücksindex erfasst 4 zentrale Säulen einer gesunden Gesellschaftsordnung
  • Organisch gefärbte Rohseide-Ballen werden zum Trocknen aufgehangen - Demonstration einer Graswurzel-Kooperative in Rhadi, Ostbhutan
  • Eine Frau beim Weben an einem flexiblen Webstuhl.
  • Stoffballen in Rot- , Braun- und Orangetönen aus Rohseide
  • Rhododendron wächst in Bhutan in baumhohen Wäldern auf 3000 - 3800 Höhenmetern

Was ist denn eigentlich dieser Glücksindex in Bhutan?

Dieser Beitrag erschien ursprünglich als Reisebericht auf den Seiten des gemeinnützigen Vereins Wisdom Together e.V., für den ich im März 2020 eine Reisegruppe in Bhutan begleitet habe. Wir stolperten nach unserer Rückkehr allesamt vom ersten Lockdown in Bhutan in die Schließung aller Einrichtungen in Deutschland. Zum Tag des Glücks am 20. März nun in meinem eigenen Blog:

Teil 2 einer Reiseerinnerung aus einer anderen Zeit – Säule 3 & 4 für das Bruttonationalglück

Hier geht es zu Teil 1

Dritte Säule: Bewahrung und Stärkung der ökologischen Widerstandskraft

Punakha ist ein Ort, an dem sich zwei gewaltige Flüsse treffen – der Weibliche und der Männliche Fluss – ein beliebter Ort für River-Rafting. Die Flüsse in Bhutan haben alle ihren Ursprung im Himalaja-Gebirge und münden in die großen nordindischen Flussarme – und erzeugen damit die wichtigste und zudem schadstoffarme volkswirtschaftliche Einnahme-Quelle des Landes, Strom aus Wasserkraft. Bhutan ist das einzige Land auf der Welt mit einer negativen Kohlenstoff-Bilanz: Die Ausbreitung von luftverschmutzender Industrie wird rigoros von der GNH-Kommission überwacht. Auch wird sichergestellt, dass mindestens 60 % des in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts erfassten Waldbestandes erhalten bleibt. Ein besonders Naturerlebnis ist für uns eine ausgedehnte Wanderung zwischen Punakha und Thimphu, in einem Zauberwald von Rhododendron-Bäumen: Auf den Passhöhen kurz vor der Baumgrenze wachsen riesige baumhohe Büsche aus knorrigen, dick bemoosten Stämmen, die im März/ April das Vorgebirge Bhutans in ein Blütenmeer verwandeln. Uns ist es vergönnt, die ersten Blüten-Stauden zu erleben.

Ergänzung März 2021: In einem bewegenden TED-Talk hat der frühere Premier-Minister Bhutans Tshering Tobgay auf die ökologischen Herausforderungen im Himalaja aufmerksam gemacht. Tshering Tobgay: This country isn’t just carbon neutral — it’s carbon negative
Die Bedrohung durch das Schmelzen der Gletscher trat während der Pandemie-Krise im Januar 2021 wieder ins globale Bewusstsein, als ein See aus Gletscher-Schmelzwasser im Himalaja-Gebirge überlief und die Wasserfluten in Nordindien in der Nachbarschaft Bhutans einen Damm und Siedlungen zerstörte und zahlreiche Menschenleben forderte.

Vierte Säule: Gute Führung

Es ist der dritte Morgen unserer Reise in Bhutan, als auch unsere Gruppe und das Land Bhutan die Ausbreitung der Corona-Epidemie zu spüren bekommt: Ein amerikanischer Tourist wird in der Nacht vom 5. auf den 6. März als erster Patient im Land positiv getestet. Die Regierung, Behörden und Unternehmen in Bhutan sind auf diesen Moment vorbereitet. Ab sofort reisen keine Touristen mehr ein und die Schulen schließen. Restaurants und Geschäfte folgen bald. Quarantäne-Einrichtungen sind sofort einsatzbereit. Eine beeindruckende Erfahrung ist die unter den Menschen vorhandene Achtsamkeit sowie der liebende Respekt für die Regierung, insbesondere für den 5. König im Land. Die Einheimischen leisten ohne Murren ihren Beitrag, für uns verbliebene Touristen den Aufenthalt auch weiterhin so komfortabel wie möglich zu gewährleisten. Für den Tourismus hat die Einreise-Sperre, die bis auf weiteres andauern wird, Existenz-bedrohende Auswirkungen. Was aber zählt, und auch in den lokalen Sozialen Medien spürbar ist (die Bhutanesen sind nur 30 Jahre nach der Einführung des Fernsehens bestens mit facebook und WeChat vernetzt): die Stärkung des Zusammenhalts, die Verantwortung des Einzelnen für das ganze System. Wir führen in den verbleibenden Tagen noch zwei inspirierende Gespräche zu Politik und buddhistischer Spiritualität mit Norbu Wangchuk (Minister für Bildung zwischen 2013 und 2018) und Khedrup Rinpoche, einem jungen buddhistischen Meister aus Zentral-Bhutan. In beiden Gesprächen spüren wir, dass die Menschen in Bhutan keinesfalls in einem verwunschenen „Shangri-La“ fernab der Krisen und der Zerrissenheit dieser Welt leben. Tief geprägt durch buddhistische Werte der Achtsamkeit, bewusster Führung und der Liebe zu allen Wesen erlebt man indes eine Fürsorge und einen bodenständigen Realismus, der sich wohltuend vom chauvinistischen Machtgehabe in einigen Nachbarländern Bhutans abhebt. Wegen seiner friedfertigen Kultur, seiner Loyalität zum König und Jahrhunderte alter Traditionen, widerstandsfähig in der Geschichte gegen koloniale Einflüsse, wird Bhutan häufig als die Schweiz Asiens bezeichnet.

Zentrales Thema der spirituellen Maskentänze in Bhutan ist das Tibetische Totenbuch – das Bardo Thödol. „Bardo“ beschreibt sinngemäß den Zustand zwischen Tod und Wiedergeburt, der nach der buddhistischen Lehre 49 Tage währt. In den rund 30 Tagen seit unserer Rückkehr aus Bhutan ist die gesamte Welt zu einem Stillstand gekommen und wir befinden uns gerade alle in einem Zwischenzustand  – der zufällig auch mit der österlichen Fastenzeit im Christentum zusammenfällt.  Ich wünsche uns, dass wir von der spirituell tief verwurzelten, menschlichen Widerstandskraft dieses kleinen Landes hoch oben im Himalaja-Gebirge lernen, wenn sich die Nebel der Corona-Pandemie lichten.

Aktualisierung März 2021:

Die Regierung in Bhutan und die Fürsorge des 5. Königs hat die Auswirkungen der Pandemie bisher besonnen bewältigt: Die meisten Einrichtungen bis auf Schulen konnten im April 2020 wieder öffnen und das soziale Leben blieb bis zum Spätsommer weitestgehend unbehelligt. Es wurden umfassende Quarantäne- und Isolationsunterkünfte bereit gestellt, insbesondere für im Ausland lebende Bhutanesen (Studenten und Gastarbeiter), die mit der Unterstützung der Regierung aus Australien, Thailand, Indien, USA sowie dem Nahen Osten zurückkehrten. Erst im August und dann erneut im Dezember 2020 stieg die Infektionsrate besorgniserregend an und führte zu umfassenden Lockdown-Wellen mit straffen Ausgangssperren. Seit Februar 2021 ist die Lage momentan wieder entspannter und Schulen haben wieder geöffnet. Im Januar 2021 wurde der erste und bisher einzige Todesfall registriert, der mit der Erkrankung an dem Covid-19 Virus im Zusammenhang steht.

Der 5. König hat mit seiner Amtseinführung 2008 eine freiwillige zivile Schutztruppe etabliert, die im Katastrophenfall die Infrastruktur für Gesundheit und zivile Sicherheit und die Versorgung der Bevölkerung bis in die entlegensten Bergtäler sicherstellt. Der Einsatz für diesen Zivilschutz gibt derzeit vielen Männern und Frauen, deren Erwerbsquelle insbesondere aus der gelähmten Tourismuswirtschaft weggefallen ist, Mut und Motivation, sich für die Gemeinschaft einzusetzen. Aus Indien wurde Bhutan mit einer ersten Charge von 100 000 Impfdosen versorgt und die Regierung plant für das Frühjahr ab Ende März den Roll-out einer Massenimpfung. Wann auch der Tourismus in der „neuen Normalität“ ankommt, lässt sich derzeit auf Grund der weltweiten Lage nur schwer abschätzen.

Und hier noch ein Bericht eines amerikanischen Journalisten, der 2018 mit der Schwester meines Partners als Reiseführerin das Land bereist hat.

Eine Reise nach Bhutan will sorgfältig geplant werden. Lust auf ein wenig Reise-Vorfreude in ein Land mit einer einzigartigen Kultur, Lebensfreude, tief verwurzelter Spiritualität und einer atemberaubenden Natur? Hier gibt es mehr Informationen, mit dem Betreff „Bhutanreise“!